Gesellschaftlicher Zusammenhalt droht zu schwinden
Vor allem Menschen in prekären Lebenslagen haben weniger Vertrauen in Mitmenschen
Berlin, 20. April 2021 – Bisher hat sich der gesellschaftliche Zusammenhalt in der Corona-Pandemie als weitgehend robust erwiesen. Allerdings mehren sich die Zeichen, dass der Zusammenhalt zu bröckeln beginnt. Vor allem junge Menschen und Personen in prekären Verhältnissen erleben weniger Mitmenschlichkeit.
Für die Studie wurden zu drei Zeitpunkten im Laufe des Jahres 2020 611 Personen befragt. Dabei zeigt sich im Jahresverlauf, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt bis zum Sommer 2020 zunächst stabil blieb. Im Sommer wurde der Zusammenhalt sogar positiver bewertet als noch zu Beginn des Jahres 2020. Allerdings kam es in der zweiten Jahreshälfte zu einer Trendumkehr und die Bewertung des gesellschaftlichen Zusammenhalts sank wieder auf das Niveau des Jahresbeginns.
Wachsende Zukunftssorgen und schwindendes Vertrauen im zweiten Halbjahr 2020
Der Mittelwert für das Vertrauen in die Mitmenschen, der auf einer Skala von 0 bis 10 angegeben wird, stieg zwischen Februar/März und Mai/Juni 2020 zunächst von 5,9 auf 6,2 Punkte. Im Dezember 2020 fiel dieser Wert dann wieder auf 5,8 Punkte. Vor allem Menschen in prekären Lebenslagen blicken deutlich skeptischer in die Zukunft und auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft. So gab im Dezember 2020 eine Mehrheit von 56 Prozent der Befragten mit prekärem sozioökonomischen Status an, große Zukunftssorgen zu haben. Eine Steigerung von 18 Prozent gegenüber dem Sommer 2020. Doch auch in der Mittelschicht wachsen die Zukunftssorgen. Im Dezember 2020 waren 41 Prozent der Mittelschicht über ihre Zukunft besorgt. Eine Steigerung von 22 Prozent gegenüber Mai / Juni 2020.
Junge Menschen sind besonders belastet
Junge Menschen unter 30 Jahren sind von der Corona-Pandemie besonders belastet. Zwei Drittel der Befragten unter 30 Jahren haben große Zukunftssorgen und 71 Prozent fühlen sich einsam.
Zur Studie:
Die Studie „Sozialer Zusammenhalt in Zeiten der Pandemie“ ist Teil des Projekts „Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt“, mit dem die Bertelsmann Stiftung seit 2012 den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf verschiedenen Ebenen untersucht. Im vergangenen Jahr wurde die Studie „Sozialer Zusammenhalt in Deutschland 2020“ veröffentlicht, die sowohl einen langfristigen Zeitvergleich zwischen 2017 und 2020 anstellt, als auch die ersten Monate der Corona-Pandemie bis zum Frühsommer abdeckt. Die jetzt vorliegende Studie baut auf dieser früheren Studie auf und ergänzt sie. Sie ist als Längsschnittstudie mit drei Befragungen von identischen Personen im Laufe eines Jahres konzipiert. Zu diesem Zweck befragte das Institut für angewandte Sozialwissenschaften Infas im Dezember 2020 zum dritten Mal 611 Personen, die bereits an den Umfragen im Februar und März sowie im Mai und Juni teilgenommen hatten. Der Zweck einer solchen Längsschnitt-Panelbefragung ist es, die Antworten direkt miteinander vergleichen zu können und Veränderungen im Antwortverhalten im Laufe des Jahres zu interpretieren. Im Gegensatz zu einer repräsentativen Querschnittserhebung können die Ergebnisse jedoch nicht prozentual auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet werden. Repräsentative Werte waren nur für die ersten beiden der drei durchgeführten Umfragen möglich. Diese Ergebnisse wurden bereits in der vorherigen Umfrage veröffentlicht. Weitere Details zur Studie können unter folgender URL abgerufen werden: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/gesellschaftlicher-zusammenhalt/projektnachrichten/zusammenhalt-in-zeiten-von-corona-die-stabile-basis-droht-zu-broeckeln