Warum Menschen im Internet gläsern sind, aber Marktforschung misstrauen
Die Paradoxie der digitalen Transparenz:
Das Internet hat unser tägliches Leben revolutioniert und unsere Welt in vielerlei Hinsicht verändert. Wir teilen Informationen, kommunizieren, kaufen ein und finden Antworten auf Fragen – alles mit nur einem Klick. In dieser digitalen Ära sind wir jedoch Zeug*innen einer interessanten Ambivalenz: Menschen scheinen einerseits bereit zu sein, im Internet völlig gläsern zu sein, während sie auf der anderen Seite große Angst haben, an Markt- oder Sozialforschungsstudien teilzunehmen, obwohl diese nur anonymisiert ausgewertet werden. In diesem Blog-Beitrag setzen wir uns mit diesem Phänomen auseinander.
Über die Jahre hat sich das Internet zu einem Ort entwickelt, an dem Menschen ihre persönlichen Informationen offen preisgeben. Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und Twitter ermutigen uns, unsere Gedanken, Fotos und Erlebnisse mit der Welt zu teilen. Wir geben freiwillig Informationen wie unseren Namen, unseren Wohnort, unsere Interessen und sogar unseren Beziehungsstatus preis. Warum sind wir so offen im Internet?
Vermeintliche Anonymität des Internets
Ein entscheidender Faktor könnte die vermeintliche Anonymität sein, die das Internet verspricht. Wenn wir einen Benutzernamen verwenden oder ein Profilbild hochladen, haben wir das Gefühl, unsere Identität hinter einer digitalen Maske zu verstecken. Dies verleiht den Anschein eines gewissen Maßes an Sicherheit und verleitet uns dazu, mehr von uns selbst preiszugeben.
Zudem spielen wahrscheinlich soziale Normen eine Rolle. In einer Welt, in der viele Menschen ihr Leben online teilen, fühlen sich andere unter Druck gesetzt, dem Trend zu folgen. Wir wollen Teil einer Gemeinschaft sein und die Vorteile der sozialen Interaktion im Internet genießen. Dies kann dazu führen, dass wir bereitwillig Informationen über uns preisgeben, um dazuzugehören und unsere Online-Präsenz zu pflegen.
„Möchte man an der Gesellschaft teilnehmen, so sind soziale Medien in unserer Mediengesellschaft unverzichtbar“, so beschreibt es Denise Romp in ihrem Essay „Zur Privatheit im Internet“*. Darin erklärt sie: “Durch die interaktive und partizipative Nutzung der sogenannten Social-Network-Sites erhalten Menschen die Möglichkeit, sich selbst und ihre Ansichten öffentlich zu präsentieren. Unkompliziert und schnell können Informationen so erstellt und geteilt werden. Im Gegensatz zu dem klassischen System der Massenmedien, bei dem die Informationen durch die Redaktionen und Journalistinnen und Journalisten eine Kontrollinstanz durchlaufen, können nun Inhalte […] immer und überall veröffentlicht werden.“
Angst vor der Preisgabe persönlicher Informationen
Obwohl wir im Internet oft bereit sind, persönliche Informationen preiszugeben, scheint dies bei Markt- und Sozialforschungsdaten nicht der Fall zu sein. Dies berichten uns immer wieder die Markt- und Sozialforschungsinstitute. Teilnahmequoten gehen dramatisch zurück; es wird immer schwieriger, Menschen zu motivieren, an Umfragen teilzunehmen. Und das, obwohl die Daten nur anonymisiert und aggregiert ausgewertet werden. Die Privatsphäre der Teilnehmenden ist geschützt. Warum also diese Angst?
Ein Grund für die Angst vor Marktforschungsdaten könnte das Misstrauen gegenüber Unternehmen und Organisationen sein. In der Vergangenheit las man immer wieder von Beispielen von Datenschutzverletzungen, bei denen persönliche Daten von Nutzer*innen gestohlen oder missbraucht wurden. Diese Vorfälle haben sicherlich das Vertrauen der Menschen in die sichere Verwahrung ihrer Daten erschüttert. Die Markt- und Sozialforschungsbranche in Deutschland war aber in keinem Skandal zur verwickelt.
Abhilfe für Ambivalenz schaffen
Die Ambivalenz der Online-Präsenz, bei der Menschen im Internet völlig gläsern sind, aber Angst haben, an Marktforschung- oder Sozialforschungssstudien teilzunehmen, obwohl ihre Informationen nur anonymisiert verwendet werden, spiegelt die Komplexität unserer digitalen Gesellschaft wider.
Die Bereitschaft, persönliche Informationen online zu teilen, kann auf das Gefühl der Anonymität und den sozialen Druck zurückzuführen sein. Auf der anderen Seite führen die Spezifität der Marktforschungsdaten und das Vertrauensproblem zu Ängsten vor der Offenlegung dieser Informationen.
Richtlinien und Standards schützen unsere Daten
Die Markt- und Sozialforschungsbranche hat sich schon seit vielen Jahrzehnten strenge Richtlinien und Standards auferlegt, die weit über die gesetzlichen Datenschutzbestimmungen hinausgehen.
An diese brancheninternen Richtlinien und Standards müssen sich die Markt- und Sozialforschungsinstitute halten; an die herrschenden Gesetze wie die Datenschutzgrundverordnung. Gleichzeitig sollten aber auch wir selbst als Nutzer*innen des Internets unsere Rechte und Privatsphäre im Internet schützen und vorsichtig sein, welche Informationen wir teilen. Eine ausgewogene Nutzung des Internets kann dazu beitragen, die Vorteile der Online-Welt zu genießen, während wir unsere Privatsphäre und Sicherheit wahren.
*Quelle: https://eplus.uni-salzburg.at/JKM/content/titleinfo/3680311/full.pdf