Neue Studie zu gesellschaftlichem Zusammenhalt nach einem Jahr Preiskrise
Was die Krise akut mit uns macht
Berlin, den 26. Oktober 2023 – Wir schreiben das Jahr 2023 und Deutschland steckt in einer tiefen Krise: Die Preise steigen kontinuierlich, die Wirtschaft schwächelt, und in der politischen Arena herrscht scharfer Streit über den richtigen Kurs, so eine Studie der gemeinnützigen Organisation „more in common“, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut KANTAR Public.
Wahrnehmung einer egoistischen Gesellschaft
Unter den Befragten zeigt sich eine ausgeprägte Unzufriedenheit mit einer als zu egoistisch wahrgenommenen Gesellschaft. Auf die Frage hin, ob in Deutschland jede*r für sich selbst sorgt oder ob sich die Menschen füreinander einsetzen, stimmen 79 Prozent der Aussage zu: „Jeder kümmert sich um sich selbst.“ Dies sei „more in common“ zufolge ein Problem, da der gesellschaftliche Zusammenhalt auch auf dem Vertrauen und der Solidarität der Menschen untereinander beruhe.
Unzufriedenheit mit dem Krisenhandeln
Die negative Stimmung, die auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene besteht, setzt sich, der Studie zufolge, in einer kritischen Wahrnehmung der Politik fort. 68 Prozent fühlen sich „von der Politik in dieser Krise alleingelassen“, trotz der umfangreichen Hilfsmaßnahmen. Der Unmut gegenüber der politischen Führung wird in den Begriffen, mit denen die Politik der Bundesregierung in der Krise beschrieben wird, besonders deutlich. Mehrheitlich wird sie als „wirkungslos“ (72 %), „inkompetent“ (71 %), „ungerecht“ (71 %) und „undemokratisch“ (56 %) wahrgenommen.
Wer ist an der Krise schuld?
Bemerkenswert ist außerdem, dass der Studie zufolge zunehmend mehr Menschen in Deutschland die eigenen Politiker*innen als die Hauptverursachenden der Preiskrise betrachten, obwohl die Krise ihren Ursprung im russischen Angriff auf die Ukraine hatte. Im Spätsommer 2022 sahen 48 Prozent Russland noch als den Hauptverantwortlichen für die Krise, während „nur“ 36 Prozent die Politik*innen der deutschen Bundesregierung dafür verantwortlich machten. Dieser Abstand hat sich mittlerweile nahezu vollständig aufgelöst und beträgt nur noch zwei Prozent (47 % gegenüber 45 %).
Krise prägt das Zusammenhaltsgefühl der Menschen
Lediglich 18 Prozent der Befragten sind 2023 der Überzeugung, dass die Preiskrise dazu führt, dass die Menschen in Deutschland wieder enger zusammenrücken. Das ist ein Rückgang um 14 Prozent im Vergleich zu Juli 2022. Der Zusammenhalt beschäftigt die Befragten jedoch: 62 Prozent geben an, sich regelmäßig mit Fragen zum gesellschaftlichen Miteinander auseinanderzusetzen.
Soziale Themen als politische Top-Prioritäten
Unter den Themen, die der Bevölkerung wichtig sind, steigen soziale Anliegen im Vergleich zu Juli 2022. Die Inflationsbekämpfung bleibt an erster Stelle (2023: 41 %, 2022: 38 %), gefolgt von bezahlbarem Wohnraum (2023: 34 %, 2022: 27 %), Alterssicherung (2023: 29 %, 2022: 23 %) und Begrenzung der Einwanderung auf den Platz (2023: 29 %, 2022: 18 %) zwei, während der Klimaschutz auf Platz drei (2023: 25 %, 2022: 28 %) zurückfällt.
Methodik:
Mit dem Forschungspartner KANTAR Public hat „more in common“ vom 9. bis 24. Mai 2023 eine quantitative Online-Panel-Befragung von 2.016 Menschen durchgeführt, unter Verwendung des Payback-Panels. Zudem wurden Anfang Juli 2023 für die Einordnung der Befunde sechs qualitative Fokusgruppen befragt vom 4. bis zum 6. Juli.
Weitere Infos hier: https://www.moreincommon.de/krisengesellschaft/
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