Wahlumfragen verstehen und richtig nutzen
Ein Blick hinter die Kulissen mit Dr. Roland Abold
Wahlumfragen tauchen überall auf – sei es in den Nachrichten oder auf Social Media. Aber was steckt wirklich dahinter? Wie entstehen diese Zahlen, und warum schwanken sie manchmal so stark?
Dr. Roland Abold, Geschäftsführer von Infratest dimap, ein echter Experte auf dem Gebiet der Wahlforschung, erklärt in diesem Interview, wie Umfragen gemacht werden, warum sie oft korrigiert werden müssen und wie du sie richtig für deine Wahlentscheidung nutzen kannst. Ein spannender Blick hinter die Kulissen – ideal für alle, die mehr über die politische Stimmung wissen wollen!

Herr Dr. Abold, wie entstehen die Ergebnisse bei Wahlumfragen?
Repräsentativ und damit aussagekräftig ist eine Umfrage dann, wenn die Auswahl der Befragten möglichst genau die zu erforschenden Personengruppe (also z.B. die Wahlberechtigten in Deutschland) in verkleinertem Maßstab abbildet. Idealerweise erreicht man das mit einer reinen Zufallsstichprobe, bei der jede Person eine Teilnahmechance hat, in die Auswahl für die Umfrage zu gelangen.
Lange Zeit waren reine Telefonerhebungen ein probates Mittel, um die aktuelle politische Stimmung abzubilden. Weil immer mehr Menschen, vor allem Jüngere, ausschließlich online aktiv sind, haben viele Institute ihren Ansatz erweitert, indem ein Teil der Personen online ausgewählt und befragt wird.
Reine Onlinestudien sind für bevölkerungsrepräsentative Befragungen selten, da hier wiederum ältere Personen deutlich schlechter erreicht werden und durch ein fehlendes Onlineverzeichnis die Zufallsauswahl nicht möglich ist.
Umfrageergebnisse werden nicht 1:1 abgebildet, sondern werden gewichtet. Wieso ist das so?
Eine Gewichtung wird notwendig, da der Idealzustand, den wir bei der Auswahl der Befragten anstreben, nämlich alle gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen zu erreichen, nicht immer zuverlässig eintrifft. Das kann unter anderem dadurch entstehen, dass Menschen, die wir kontaktieren, nicht an der Befragung teilnehmen wollen. Diese Ausfälle verteilen sich nicht der Struktur der Bevölkerung entsprechend. Daher werden über Gewichtungsfaktoren die Anteile der Gruppen korrigiert, die man nicht in dem Maße erreicht hat, wie sie in der Gesellschaft vertreten sind.
So wird beispielsweise häufig die Geschlechts- und Altersverteilung und die Anteile der verschiedenen Bildungsgruppen an die tatsächliche Verteilung in Deutschland angepasst.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Vorhersage von Wahlergebnissen?
Zum einen sollte man sich bewusst machen, dass Umfragen keine Prognosen sind, wie wir es aus der Wirtschaft kennen, sondern Messungen der aktuellen politischen Stimmung. Unsere letzte Sonntagsfrage vor eine Wahl veröffentlichen wir bei infratest dimap gemeinsam mit der ARD genau 10 Tage vor dem Wahltermin. Darin nicht enthalten sind Menschen, die sich noch nicht entschieden haben, genauso wenig wie Ereignisse, die in diesen letzten Tagen Einfluss auf die Wahlentscheidung nehmen können.
Gerade zum Schluss versuchen Parteien alle Wählerinnen und Wähler mit unterschiedlichen Wahlkampfaktionen für sich zu mobilisieren. Während sich das in der Vergangenheit auf Medienauftritte und Wahlkampf auf Marktplätzen konzentrierte, stehen den Parteien heutzutage durch Social Media viele direkte Kanäle zur Verfügung, die diese mit unterschiedlichem Erfolg für sich nutzen.
Wie kann ich Wahlumfragen sinnvoll für meine eigene Wahlentscheidung nutzen?
Es gibt unterschiedliche Bausteine, um sich für die eigene Wahlentscheidung zu informieren wie z.B. über politische Nachrichten, Wahlprogramme der Parteien, Spitzenrunden der Kandidaten und weiteres. Umfrageergebnisse sind nur einer davon. Sie können Orientierung bieten und helfen die politische Landschaft aktuell realistisch einzuschätzen. Sie zeigen, wie stark der Rückhalt für einzelne Parteien oder Kandidaten ist. Und das kann für das gesamte Land deutlich von meinem persönlichen Erleben abweichen, da Menschen sich häufig in sozial homogenen Gruppen aufhalten.
Wenn ich eine bestimmte Regierungskoalition bevorzuge, kann ich die Wahl daraufhin taktisch treffen. Oder ich kann über die Umfragen einschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass meine bevorzugte Partei überhaupt ins Parlament einzieht.
Wo finde ich zuverlässige Informationen zu aktuellen Wahlumfragen?
Ganz wichtig ist das Thema Transparenz. Bei jeder Umfrage, die in den Medien veröffentlich wird, müssen die grundlegenden Informationen mitgeliefert werden:
- Wer hat die Umfrage durchgeführt?
- Wer hat sie beauftragt?
- Wie wurden die Befragten ausgewählt und wie hat man die Interviews durchgeführt?
- Wie viele Menschen wurden befragt?
Wenn diese Angaben fehlen und auch kein Verweis auf eine Quelle zu finden ist, wo man die relevanten Angaben (bspw. auf einer Website) einsehen kann, ist Skepsis angebracht.
Bei den Instituten kann man zudem prüfen, ob sie Mitglied in einem Marktforschungsverband wie dem ADM sind. Alle Mitglieder müssen die Qualitätsstandards und Richtlinien der Verbände einhalten und auch transparent angeben, wie die jeweiligen Umfrageergebnisse zustande gekommen sind.